Infolge der Pandemie war das Jahr 2020 durch einen enormen Digitalisierungsschub und zeitweise durch eine ungewöhnlich intensive Nachrichtenflut geprägt. Konnten Medienmarken wie Marken wie Chip und Computerbild auf der einen, Spiegel und Focus auf der anderen Seite davon profitieren? Ja, durchaus.

Vor allem im Digitalen, oft aber auch mit den klassischen Printprodukten. Die agof-Zahlen über Unique User und die IVW-Visits erreichten Rekordzuwächse.

Dabei haben sich für Print viele Befürchtungen nicht bewahrheitet, die in den Verlagen während des Lockdowns im März und April kursierten. Die Titel kamen besser durchs Jahr als gedacht. Allen voran der Spiegel, der im Schlussquartal die Abo- und EV-Auflage um gut drei Prozent gegen Vorjahr steigern konnte und beim Bruttowerbeumsatz 2020 nur knapp drei Prozent einbüßte.

Es gibt aber auch Printsegmente, die Covid-19 indirekt kräftige Wachstumsimpulse verdanken. Vier Trends zeichnen sich ab: Das Virus hat eine neue Häuslichkeit erzwungen, die Aktienkultur belebt, einen Bike Boom begünstigt und die Zeitschriftenlektüre für Kinder gefördert.

Trend 1: Neue Häuslichkeit stimuliert ein ganzes Zeitschriftensegment

Kontaktbegrenzung, Homeschooling und Homeoffice führten zu einer neuen Häuslichkeit, von der viele Zeitschriften mit Themen rund um Haus, Wohnung und Garten vertrieblich profitieren konnten (Grafik 1). Die höchsten prozentualen Zuwächse in Abo und EV verbuchen die beiden Architekturtitel. Landlust, die weitaus größte Zeitschrift dieses Segments, legt um 7,1 Prozent zu, dies entspricht in absoluter Rechnung gut 58.000 zusätzlichen Exemplaren. Die anderen Titel kommen zusammen auf knapp 58.000 Exemplare. Landlust gelang es im Übrigen auch, den Vertriebserfolg im Werbemarkt umzusetzen: Der Bruttoanzeigenumsatz konnte 2020 um 17,0 Prozent erhöht werden.

Trend 2: Aktienkultur braucht Deep Reading

Die enorme Volatilität der Börsenkurse – der DAX brach im 1. Quartal um 40 Prozent ein, erholte sich aber blitzschnell – faszinierte viele Jüngere, die sich daraufhin erstmals ein Wertpapierdepot zulegten. Auch der Trend zu Negativzinsen ließ Anleger zu Aktien oder Fonds greifen – und nach dazu passenden Infos suchen. Die fand man natürlich zum Teil im Netz – dort, wo viele Anleger auch ihre Depots selbst verwalten.

Doch „Geldleute lesen genauer, sie wissen, welcher Schaden aus flüchtiger Lektüre entstehen kann“, meinte schon Bert Brecht. Print steht nun einmal für „Deep Reading“. So steigerte Der Aktionär die harte Auflage spektakulär um rund 55 Prozent (Grafik 2; Anmerkung: In diesem Segment zeigt sich besonders, dass der Blick auf Abo und EV zweckmäßig ist, weil andere Sparten durch pandemiebedingte Sonderfaktoren beeinflusst wurden. So stünde beispielsweise bei Euro am Sonntag wegen ausgefallener Bordauflage ein Minus, wenn man den Gesamtverkauf heranziehen würde.).

Börse online und Euro am Sonntag konnten mit Rückenwind im Vertrieb auch den Bruttowerbeumsatz 2020 spürbar um rund 18 bzw. 10 Prozent ausweiten. Neben den auf Geldanlage fokussierten Titeln gelang dem thematisch breiter aufgestellten Klassiker Wirtschaftswoche ein beachtliches Auflagenplus von 7,5 Prozent.

Trend 3: Special-Interest-Magazine sind Begleitlektüre zum Bike Boom

Das Virus hat im Amateurbereich den Mannschaftssport stark beeinträchtigt. Häuslichkeit und Homeoffice haben zugleich Bewegungsmangel verursacht. Kein Wunder, dass es einen Trend zum Einzelsport gibt, und hier besonders zum Joggen und Fahrradfahren. Begleitlektüre wird eher für das technisch immer anspruchsvollere Bike nachgefragt. Parallel zum Boom des Fahrradhandels, der 2020 zeitweise Lieferfristen einführen musste, konnten Bike und Roadbike ihre harte Auflage um knapp 8 bzw. knapp 5 Prozent erhöhen.

Trend 4: Kitas und Schulen geschlossen, Zeitschriften aufgeschlagen

Viele Kinderzeitschriften erfreuten sich auch schon vor der Pandemie einer regen Nachfrage. Die Schließung von Kitas und Grundschulen gab zusätzliche Impulse. Viele Eltern lassen die Kinder lieber lesen, malen oder basteln als fernsehen. So konnten immerhin bei fünf Zeitschriften Abos und EV-Verkäufe prozentual zweistellig steigern, allen voran Pferd &Co mit fantastischen 49,2 Prozent. Dieser Titel verbucht mit fast 12.400 zusätzlichen Verkäufen auch den höchsten absoluten Zuwachs. GEO mini und Playmobil Pink erhöhen die Verkaufszahl jeweils um über 6.000 Exemplare.

Dr. Uwe Sander
Dr. Uwe Sander
Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.