Selten hat ein neues Jahrzehnt so turbulent begonnen wie die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts: Corona bestimmt seit Jahren die Schlagzeilen – ebenso die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in Form der Inflation und zuletzt der Ukrainekrieg.

Welche Rolle der Journalismus in dieser historischen Zeit spielt, hat erneut der alljährliche „Digital News Report“ des Reuters Institute untersucht, der längst als Goldstandard der Branche gilt. Rund 93.000 Onliner aus 46 Ländern aus sechs Kontinenten (u.a. erstmals aus Indien, Indonesien, Thailand, Nigeria, Kolumbien und Peru)  haben sich diesmal zur Entwicklung des Journalismus, ihren Nutzungsvorlieben und ihrem Vertrauen in alte, neue und soziale Medien geäußert. Den deutschen Markt haben erneut die Medienforscher des Hans-Bredow-Instituts mit Umfragen von Anfang Januar bis Mitte Februar – und damit vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – dieses Jahres ausgewertet.

Zahlungsbereitschaft für Nachrichtenangebote steigt an

Wichtige Erkenntnis in bewegten Zeiten: Die Nachrichtennutzungshäufigkeit bleibt auf einem hohen Niveau stabil. 92 Prozent der erwachsenen Internetnutzer in der Bundesrepublik lesen, hören oder schauen 2022 mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten (Vorjahr: ebenfalls 92 Prozent).

Erfreulich für Verlage ist der Trend zur gestiegenen Zahlungsbereitschaft bei Lesern. So gaben 14 Prozent der Befragten an, im vergangenen Jahr für Digitalnachrichten Geld ausgegeben zu haben (etwa für ein Abonnement für digitale oder gedruckte Nachrichten oder eine Einmalzahlung für einen Artikel, eine App oder eine E-Paper-Ausgabe). Das entspricht einem beachtlichen Zuwachs von fünf Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr und ist gleichzeitig in der Reuters-Studie das höchste gemessene Niveau für gebührenpflichtige Nachrichtenangebote.

Vor allem jüngere Nutzer zahlen für journalistische Angebote

Eine fortlaufende Zahlung in Form eines Abonnements bzw. einer Mitgliedschaft ist dabei das am häufigsten gewählte Bezahlmodell. Die meisten Nutzer zahlen in der Regel für ein (55 Prozent) oder für zwei (27 Prozent) nachrichtenbezogene Internetangebote.

Interessant: Obwohl ein Zuwachs der Zahlungsbereitschaft in allen Altersgruppen gemessen wurde, steht vor allem die jüngere Leserschaft journalistischen Bezahlangeboten offener gegenüber. Möglicherweise spielen dabei früh gelernte Bezahlerfahrungen im Internet wie bei Streamingangeboten von Netflix oder Spotify eine Rolle in der Offenheit der Nutzer.

Paid Content: „Millennials“ und „Generation Z“ am zahlungsfreudigsten

So verzeichnete die jüngste Kohorte mit einem Plus von gleich 14 Prozentpunkten den größten Anstieg von zahlenden Lesern. Insgesamt gaben 23 Prozent der befragten 18- bis 24-Jährigen („Generation Z“) an, für einen gebührenpflichtigen Nachrichtendienst zu bezahlen, während gar jeder Vierte (25 Prozent) der nächstälteren Zielgruppe der 25 bis 34-Jährigen („Millennials“) für journalistische Inhalte Geld ausgibt.

In der Gattung der kostenpflichtigen Inhalte liegen interessanterweise lokale bzw. regionale Angebote vorne (35 Prozent der Befragten). In absteigender Rangordnung folgen die Angebote von „Bild“ (18 Prozent), „Der Spiegel“ (13 Prozent), der „FAZ“ (12 Prozent), „Die Zeit“ (12 Prozent) , „Handelsblatt“ (11 Prozent), „Die Welt“ (10 Prozent), „Stern“ (10 Prozent) und die „Süddeutsche Zeitung“ (9 Prozent).

Vertrauen in Nachrichten höher als vor der Pandemie

Entsprechend dominieren bei deutschen Internetnutzern auch lokale Nachrichten als vorherrschendes Thema. Mehr als zwei Drittel der erwachsenen Onliner interessieren sich nach Angaben der Reuters-Studie für aktuelle Neuigkeiten aus der eigenen Stadt oder Region (68 Prozent). Auch internationale (61 Prozent) und politische Nachrichten (58 Prozent) sind in den meisten Altersgruppen unter den Top 3 mit dem größten Interesse.

Das Vertrauen in nachrichtliche Berichterstattung bleibt hierzulande unterdessen relativ stabil. So ist die Hälfte der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind zwar drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr 2021 (53 Prozent), jedoch fünf Prozentpunkte mehr als vor der Pandemie (2019).

Der Autor

Nils Jacobsen
Nils Jacobsen
Nils Jacobsen ist Wirtschaftsjournalist und Techreporter in Hamburg. Der studierte Medienwissenschaftler und Buchautor („Das Apple-Imperium“ / „Das Apple-Imperium 2.0“ ) berichtet seit 20 Jahren über die Entwicklung der Aktienmärkte und digitalen Wirtschaft: seit 2008 täglich für den Branchendienst MEEDIA, in einer wöchentlichen Kolumne für Yahoo Finanzen und in monatlichen Reportagen für die Marketingzeitschrift absatzwirtschaft. Jacobsen war zudem als Chefredakteur der Portale CURVED, clickfish, US FINANCE und YEALD aktiv.